In der Gastwirtschaft angekommen, schickt sich ein Jeder an, mit der neuen Lektüre auf sein Zimmer zu gehen, lediglich Wulle benötigt vorher „eine kleine Stärkung.“ Während Abrixa, Ristara und Henol die Treppe nach oben zu ihren Zimmern gehen, schlägt Wulle ein Kochbuch auf dem Tisch auf und blättert mit großen Augen darin. Als sie der Wirt anspricht, zuckt sie kurz zusammen, fragt dann den überraschten Wirt, ob sie das eine oder andere in seiner Küche kochen dürfe. Der ist ob ihres Interesses an der hiesigen Küche höchst erfreut und bittet die Halblingin in die Küche. Wulle klemmt sich ihr Buch unter den Arm und kommt der Einladung sofort nach. Sie betreten die Küche durch eine doppelte Schwingtür. Dort angekommen, stellt sie der Wirt dem Koch und seinen beiden Helfern vor, die vor rußgeschwärzten Lehmöfen stehen, in denen mehrere Feuer für unterschiedliche Hitze sorgen. Diese sind erheitert über den ungewöhnlichen Wunsch des Gastes. Freundlich fragt der Koch, was Wulle zu kochen gedenke. Diese zeigt nach kurzem Blättern auf ein farbenfrohes Bild. Sie könne zwar nicht alles lesen und einige Gewürze kenne sie gar nicht, gibt sie zu, aber diese in was auch immer marinierte Gänsebrust mit Bratkartoffeln, unbekannten Kräutern und „Habe ich das richtig gelesen, Kaktusöl?“, möchte Wulle wissen, habe es ihr angetan. Der Koch nickt stolz: „Eine Besonderheit dieser Region. Nach langer, spezieller Lagerung der Kakteen, bei denen sie einen Großteil ihres Wassers verlieren, werden sie voooorsichtig geschält, dann in Würfel geschnitten und kalt gepresst. Nach weiterer Behandlung und Lagerung ist es nach mehreren Monaten fertig. Es gibt einen leicht nussigen Beigeschmack, man muss aber aufpassen!“, wobei er belehrend den Finger hebt und mit mahnender Stimme fortfährt: „Bei zu viel Kaktusöl kippt der Geschmack ins Bittere. Der Boden der Pfanne darf immer nur leicht mit dem Öl benetzt sein. Es ist besser, mehrere Male wenig Öl zuzugeben als zu viel davon. Dieses Öl sollte sowieso nicht zu heiß werden, es verliert dann schnell an Intensität, deswegen passt es auch sehr gut zu Salaten, eignet sich aber nicht, um Fleisch anzubraten.“

Bei Letzterem einigt man sich schnell auf „die gute, alte Butter“. Nachdem das geklärt ist, würde Wulle gerne zur Praxis übergehen. Sie lässt sich die in Essig, Sonnenblumenöl, Zwiebeln und anderen Beigaben und Gewürzen, wie zum Beispiel einer milderen Form des Kümmels, eingelegte Gänsebrust zeigen. Sie sieht schon jetzt zum Anbeißen aus und duftet verführerisch, obwohl sie noch roh ist. Wulle lässt sich die Marinade genau erklären, auch dass das Fleisch zwischen einem und vier Tagen darin liegen sollte. Deswegen haben sie immer einige davon fertig mariniert. Dann begutachtet Wulle die Kartoffeln, die gebraten werden sollen. Sie sind noch roh und werden zu ihrer Überraschung nicht geschält, was auf dem Bild nicht richtig zu erkennen ist. Die Kartoffeln werden lediglich gründlich gewaschen und in Keile unterschiedlicher Größe geschnitten, die kleineren werden halbiert. Damit Wulle gut an den Herd kommt und die Pfannen einsehen kann, haben ihr die Kochhelfer zwei kleine Kisten geholt.

„Für jeden Fuß eine“, wobei sie lachen.

Wulle heizt die Pfannen vor. In die eine – die auf der heißeren Flamme – kommt ein guter Klacks Butter. Unter der Aufsicht des Kochs gibt sie nur wenig Kaktusöl in die andere Pfanne. Nach kurzer Zeit nimmt Wulle die Gänsebrust und legt sie unter wenigen Spritzern in die heiße Butter. Sie fragt, ob weiteres Würzen notwendig sei, was der Koch verneint. Es müsse nur Salz und zwei kleine Zweige des Tlemankrautes an die Kartoffeln. Wulle benötigt lediglich kleine Hilfestellungen in Bezug auf das Kaktusöl und den Zeitpunkt für die Beigabe der Tlemanzweige. Wulle dreht die Gänsebrust gleichmäßig in dem Fett, gibt ihr dadurch eine gleichmäßig knusprige Oberfläche und bewahrt sie so vor dem Austrocknen. Der Koch ist sehr angetan von ihrer geübten Hand. Und das auf zwei Kisten stehend in einer unbekannten Küche! Schon bald ist Wulle von leckersten Gerüchen umgeben. Es dauert etwas, aber irgendwann ist sie fertig und richtet sich ihren Teller an. Der Koch legt anschließend zur Dekoration noch ein paar kleine, grüne Blätter darauf. Dann probieren Wulle und er das Essen. Wulle beginnt mit den Bratkartoffeln, die ihr, besonders wegen des Kaktusöls, sehr gut schmecken. Der Koch testet zuerst die Gans. Bis auf eine kleine Schicht in der Mitte ist die Brust durchgebraten. Wenn man sie drückt, fließt aus der Schnittstelle roter Saft, die Haut ist dunkelbraun, aber nicht schwarz – perfekt. Auch die Kartoffeln haben es ihm angetan. Sie sind knusprig goldbraun. Es stimmt für ihn alles. Dann geht Wulle zu der Gänsebrust über und ist begeistert, das Rezept müsse sie unbedingt haben. Sie isst diese fast zur Gänze, nimmt dann wieder von den Kartoffeln. Sie kaut jetzt langsamer, intensiver und blickt dabei mit spitzem Mund nachdenklich zur Decke.

Der Koch ist irritiert und fragt nach: „Stimmt etwas nicht?“

„Ich weiß nicht genau, was es ist, aber irgendwie fehlt etwas“, meint Wulle überlegend.

Der Koch ist um Fassung bemüht: „Es fehlt etwas?!“

„Ich hab‘s!“, platzt es aus der Halblingsfrau heraus. „Es ist das Salz!“

„Was ist mit dem Salz?“, möchte der verwirrte Koch wissen.

„Ich zeig‘s dir, lass uns noch mal Bratkartoffeln machen!“, fordert Wulle ihn auf.

Er hat nichts dagegen. Wulle macht jeden Arbeitsschritt genauso wie vorher, aber als es an das Salzen geht, holt sie eine kleine, hölzerne Schachtel aus ihrer Gürteltasche. Sie schiebt den Deckel auf. Zum Vorschein kommen einige Gramm eines unansehnlichen, hellbraunen Pulvers, das nur aufgrund seiner kristallinen Erscheinung vage an Salz erinnert. Sie nimmt nur eine kleine Prise davon, wobei sie in das verdutzte Gesicht des Küchenchefs blickt. Als Wulle fertig ist, probieren sie und der Koch neugierig, verbrennen sich fast die Zunge. Der Küchenchef zieht anerkennend die Mundwinkel gen Boden und nickt bewundernd. Beide kommen überein, dass dies die besten Bratkartoffeln seien.

„Was ist das für Salz?“

„Wir gewinnen es in Höhlen von Stalagmiten und Stalaktiten. Anschließend muss der so genannte „Abkratz“ aufwendig gereinigt und gelagert werden. Dies und das unvergleichliche Aroma, das sich durch das Salz ergibt, machen es kostbar. Es eignet sich auch zum Fleischbraten“, wie ihm Wulle gleich beweist.

Dazu nimmt sie zwei gleiche Stücke Schweinefilet, würzt diese mit den unterschiedlichen Salzen und brät diese gleich. Der Koch ist auch von diesem Ergebnis begeistert. Wulle merkt, wie sehr er das Salz haben möchte. Sie bietet ihm die Hälfte ihres Vorrats gegen drei Phiolen Kaktusöl. Das ist ihm zu viel. Nach kurzem Handeln einigt man sich auf zwei Phiolen Kaktusöl gegen wenige Gramm des Halblingssalzes.